Frauengeschichte(n)
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"Rosen" von  Wanda (Deutschland, geb. 1954)
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Wenn man mich mal fragt, was machst du eigentlich beruflich und ich kenne den Betreffenden entweder gar nicht oder besonders gut, dann sage ich, ich bin Künstlerin und Hetäre. Denn nun gut, ich biete sexuelle Dienstleistungen an. 
Ich bin gelegentlich das was man auf Neudeutsch als eine Sexarbeiterin bezeichnet. 
Allerdings muss ich sagen, dass die Männer, die zu mir kommen – sie suchen selten die kleine Münze – die schnelle Nummer für den 50 Euroschein. Die, die zu mir kommen, bleiben mindestens eine Stunde. Es sind die, mit den unerfüllten Sehnsüchten, den Träumen, dem Sprung in der Seele - und die froh sind, wenn sie jemanden finden, mit dem sie auch reden können. Das Schöne für mich ist, wenn sich ein Mann öffnet und sich seine Sorgen und Kümmernisse und Bedrängnisse von der Seele redet und nicht einfach verschwindet. Auch wenn es schön war. 
Ich kann mich an einen Besucher entsinnen, ein relativ junger Mann vielleicht so Anfang dreißig. Ein ganz junger Hüpfer. Mit einer geradezu rührenden Magerkeit. Er lag bei mir auf dem Bett – stocksteif – eiskalte Hände und Füße – ich musste den armen Kerl regelrecht auftauen. Er erzählte mir, er habe letztes Jahr zu Weihnachten mit Herzbeschwerden platt gelegen und er traue sich nicht das auszukurieren – da er Systemadministrator bei einem Medienkonzern sei. Er habe einfach Sorge um seinen Job. Ich hab dann gedacht, du armer Kerl. Was macht man mit dir, mit euch. Da wird in einer Gesellschaft der Mensch zu einem Gebrauchsartikel degradiert, weil er am leichtesten zu ersetzen ist. Da kommt dann unter anderem sowas dabei heraus.Da kann ich noch froh sein, dass ich genügend Stabilität habe, um jemanden aufzufangen. Na, ich denke er ist dann ganz “glücklich“ nach Hause gegangen. 
Ein anderer, der kam aus Berlin. Er rief mich gegen neun Uhr abends an. Er hätte einen Freund in Kassel besucht – und möchte noch vorbei kommen. In einer Stunde wäre er bei mir. Na, hab ich gedacht, wenn der sich mal nicht vertan hat. Ich geh also in mein Arbeitszimmer und warte. Es wurde zehn, es wurde elf. Na, dachte ich, wieder so eine von diesen Spaßbuchungen. 
Aber es war glücklicherweise jemand, der seine Handynummer da gelassen hat. Ich rufe ihn also an. He, mein Freund, wo geisterst du rum? Wo steckst du?
Ja, ich weiß nicht genau, wo ich jetzt bin. Ich bin wie du gesagt hast passend von der Autobahn abgefahren und dann geradeaus und jetzt tappe ich hier im Dunkeln. In meiner kleinen Stadt werden um elfe die Lichter ausgeknipst und die Bürgersteige sind hochgeklappt. Der Arme hatte sich in dieser Einfamilienhaussiedlung, wo ich wohne, total verfranst. Ich habe ihn dann gelotst. Dann so kurz nach Mitternacht stand er auf der Matte. Ein ziemlich langer Lulatsch mit einem unglaublich freundlichen Gesicht. Schönen dunkelbraunen Augen – langen, schmalen Fingern.  Er brachte mir drei rote Rosen mit und sagte ganz treuherzig: „Die habe ich noch an der Tankstelle gefunden“. 
Er habe die so schön gefunden – aber eine davon habe er der Dame von der Tankstelle gegeben, weil man Blumen doch nicht in einer ungeraden Zahl verschenken würde. Eine Stunde hatte er gebucht und geblieben ist er drei. Zwei Stunden habe ich ihm geschenkt. Und am nächsten Tag bekam ich eine SMS von ihm in der er schrieb: Du hast meine Seele berührt. Und da war ich richtig stolz auf mich.
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Elke Werneburg - email: art-herstory@web.de