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"Jakobsweg" von Andrea  (Deutschland, geb. 1961)
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Ich erzähle jetzt etwas über meine Erfahrungen auf dem Jakobsweg. Ich bin sechs Wochen alleine unterwegs gewesen und gerade zurück. Die Idee, den Jakobsweg zu gehen- und zwar den spanischen Teil in den Pyrenäen, von Sant de Port bis nach Santiago de Compostella - hatte ich schon vor Jahren. Ich habe ein Buch darüber gelesen und gedacht, das möchte ich auch mal machen. Einfach, weil ich gerne draußen in der Natur bin und gerne wandere und weil ich Spanien toll finde. 
Ich habe ein Sabatjahr zur Zeit und bisher noch keine Pläne dafür gemacht, mich dann aber relativ spontan entschieden, diesen Weg zu gehen und zu gucken, was passiert. 
Ich bin nach Südfrankreich runter gefahren bis in die Pyrenäen und von dort los gelaufen. Ohne große Erwartungen, oder Vorstellungen. Einfach mal los. Allein mit meinem Rucksack, in dem ich insgesamt 7 Kilo hatte. Das Gewicht spielt später eine große Rolle, wie ich festgestellt habe. Die Pilger fragen sich untereinander immer – wie viele Kilo hast du denn dabei? Meine waren nicht viel, aber genug. 
Ja, der Jakobsweg hat mir sehr gut gefallen, die vielen verschiedenen Gegenden in Spanien zu durchwandern. Am Schönsten fand ich die kleinen Dörfer, durch die ich gewandert bin. Ganz wichtig waren die Brunnen, an denen wir halt gemacht haben, da gab es Wasser und man traf die Anderen – da saß immer schon jemand, der auch grad Wasser trank. Auch auf etwas einsameren Strecken, in den Bars, gab es immer jemanden, mit dem man Kaffee trinken konnte. Ich habe unglaublich viele nette, berührende Begegnungen gehabt. Die Menschen, die ich getroffen habe, waren zwischen 20 und 80 Jahre alt und egal, welches Alter sie hatten, wir sind immer in Kontakt gekommen auf spanisch, englisch oder auf deutsch. Mit den drei Sprachen kann man fast mit jedem sprechen. Auch wenn es kurze Begegnungen waren, waren sie doch sehr intensiv. Das hat mir unglaublich viel Spaß gemacht. Für mich war das Ganze auch deshalb belebend, weil ich halt spanisch spreche und mich sehr viel unter die Spanier der Dorfbevölkerung gemischt habe und mir immer wieder vergewissert wurde, dass nur wenige Ausländer gut spanisch sprechen und dass es deshalb sehr gut angenommen wurde, dass ich mich als Nichtspanierin so gut mit den anderen verständigen konnte.
 Eine Übernachtung – es gab mehrere Übernachtungen, die mich sehr berührten – aber eine, die fand ich ganz besonders außergewöhnlich. Das war in Grandjon, so auf halbem Wege, ein kleiner Ort – und zwar konnten wir dort in einer Kirche übernachten. Nicht im Hauptgebäude, im Altarraum, sondern im Nebenschiff. Man musste einige Stiegen hochsteigen zu einem Raum mit Matratzen auf dem Boden, wo man schlafen konnte. Weiter oben gab es so eine Art Wohnzimmer, wo auch gegessen wurde, mit einer Küche. Da konnte man selbst kochen oder es wurde abends gekocht. Als ich dort ankam, saßen in dem Wohnzimmer ein paar Leute und spielten Gitarre. Es waren Pilger, aber die Gitarre war von dort. Es war sehr einladend und schön. Man konnte noch weiter nach oben steigen in den Turm und dort schlafen. Man konnte noch weiter bis nach ganz oben gehen und hatte dann eine wunderbare Aussicht über das ganze Tal und das Dorf. 
Ich habe mich dann erstmal in einem Zimmer eingenistet und mich ein bisschen ausgeruht nach ca. 25 – 30 Kilometern am Tag – das war so meine Tagesetappe – meistens. Hab da so ein bisschen da gelegen – richtig schlafen konnte ich nicht, weil die Anderen einfach rein kamen. Es wurde auch viel mit dem Handy telefoniert, es sind halt heutzutage moderne Pilgerzeiten. Ich habe mich ausgeruht und habe es genossen, einfach da zu sein – ich fand diesen Ort so schön.
Abends gab es um die Kirche herum und in der Kirche eine Theaterveranstaltung, zu der wir Pilger umsonst eingeladen waren. Es gab auch ein Essen für uns, wo man auch mitkochen konnte. Ja, das war schon mal schön. Was mich ganz besonders berührt  hatte: es war eine Herberge, die auf Spendenbasis funktionierte, auch die Gastfreundschaft, wir wurden da ganz besonders herzlich aufgenommen von Leuten des Ortes, die uns ausdrücklich zu der Veranstaltung und zum Abendessen eingeladen haben. Es gab einen offenen Korb, auf dem stand „da loke“- gib einfach das, was du kannst was du meinst, was du geben willst – oder nimm was du brauchst. Das hat mich wirklich besonders berührt, weil es keinen anderen Ort gab, wo man sich tatsächlich Geld hätte nehmen können. Für diejenigen von uns, die kein Geld dabei hatten, war das super. Diese Atmosphäre hat mich sehr berührt, die Kameradschaft, Gastfreundschaft. Die Kirche ist etwa für 20 Leute angelegt, aber an diesem Abend haben über 30 dort geschlafen und gegessen. Wir haben so eine Art Rap am Anfang gemacht, einen Gute-Appetit-Rap, den die Leute dort immer machen. Das Essen reichte leider nicht für alle. Ich saß hinten in einer Ecke, wo die Suppe nicht mehr ankam. Aber irgendwie wurde alles aufgeteilt und man hatte das Gefühl zusammenzugehören. 
An diesem Abend war das Theaterstück aber das ganz besondere. Es wurde die Pilgergeschichte von vor Jahrhunderten im Mittelalter erzählt, als alles anfing und die Pilger vorbeikamen und mehrere Tage - z.B. wegen ihrer Fußprobleme - bleiben mussten. Die Kirche war früher auch ein Pilgerhospiz gewesen. Auch auf die Tradition des Weges bis heute, bis zu den modernen Pilgern wie mir, wurde auf interessante und lustige Art und Weise eingegangen.
Ja, dieser Ort wird mir in Erinnerung bleiben und wenn ihr mal auf den Weg geht, dann müsst ihr unbedingt in Grandjon übernachten. 

 
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Elke Werneburg - email: art-herstory@web.de